Das Mandala der Stille
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Inhaltsbeschreibung
»Schamanische wie auch meditative Erfahrungen und alle Traditionen, die auf sie hinweisen, stammen aus einer einzigen gemeinsamen Großen Seele oder einem Großen Geist. Wir können dieses Große als die Bewegung des ewigen, zeitlosen und stillen Selbst erkennen, als seine Kraft, seine shakti. In diesem Buch geht es der Autorin darum, Wege zum Verstehen und Begreifen der Mythologie unserer Naturseele aufzuzeigen - jenem Bereich in unserem spirituellen Geist, der immer noch in tiefer Einheit mit allem Leben erfährt und erkennt, und der nirgendwo hin zu gehen braucht, um eins zu sein mit dem Großen Unbekannten, der Großen Stille. Sie benutzt dazu eine Landkarte, die sowohl von SchamanInnen als auch von Yogis und erleuchteten Meistern aus Ost und West zu Grunde gelegt wird - möge sie nun Rad der Winde, Medizinrad oder dharma-Rad heißen. Die Tiefe und Stille der geistigen Lehrwege, ihre Schönheit, die in ihrer vollendeten Klarheit und Leerheit liegt, wird mit der Fülle und Dynamik verbunden, die in den nicht-alltäglichen Bereichen unseres Lebens erscheint.«
Leseprobe
Die Wanderung im Mandala der Lehre
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Vom Standort der „Radnabe“ können wir die Richtungen auf der Horizontalen des mandalas als Meilensteine erkennen, die unsere spirituellen Herausforderungen darstellen.
Auf dem Weg des Ostens fangen wir an zu erkennen, dass es für unser Leben einen Sinn, einen Zweck geben muss. Wir werden plötzlich einer Klarheit gewahr, die uns jenseits unserer früheren egoistischen Haltung von „was bringt das Leben mir?“ trägt. Wir befinden uns in einer wichtigen Entscheidungssituation in unserem Leben, in der wir damit konfrontiert sind zu erkennen, was wir wirklich wollen.
Auf dem Weg des Südens lernen wir unter dieser neuen Orientierung, kindischen und unserer persönlichen Fixierung angehörenden emotionalen und Verhaltensmustern ins Auge zu sehen und die Geschichten der Vergangenheit, in denen wir verletzt wurden oder verletzt haben, zu transzendieren.
Der Weg des Westens bringt uns zu Innenschau und Einsicht in unsere vergangenen Lebensmuster, lässt uns erkennen, wie tief wir als körperlich begrenzte Wesen identifiziert sind und bringt uns in Kontakt mit Gefühlen und Konzepten über unseren Selbstwert. Hier begegnen wir dem Tod.
Im Norden schließlich ernten wir die Früchte der Stationen, die wir durchlaufen haben, und wir sind dann in der Lage, sie mit anderen zu teilen. Als LehrerInnen müssen wir hier begreifen, wie wir urteilsfrei, mitfühlend und mit offenen Herzen auch jenen begegnen, die uns in unbewusster Verzweiflung mit Bildern ihrer inneren Dämonen besetzen. Dies ist der erste Schritt hinter den Rauch des Spiegels.
Als nächstes reisen wir durch die Winde; wir betreten die geheimnisvollen Seelenräume, die uns tiefer in unsere innere Dynamik führen. Dabei lernen wir die symbolischen Richtungen des Nord-Ostens, Süd-Ostens, Süd-Westens und Nord-Westens kennen, um uns schließlich zurück in den Kreis zu bewegen oder in die Radnabe im Zentrum zu fallen.
Wenn wir von hier aus oder durch das goldenen Tor des Ostens treten, um die Blaue Straße des Geistes zu gehen, werden wir uns aufrichten und auf dem Weg des Himmels (Oben) den unsichtbaren Welten der spirituellen Wesen entgegen fliegen. Wir werden mit Reichen jenseits der gefestigten Grenzen unseres Alltagsverstandes konfrontiert, mit der Angst vor dem Unbekannten und den unberührbaren Kräften im Universum.
Die zehnte „Richtung“, die Rückkehr zum irdischen Menschsein (Unten), verlangt von uns, dass wir lernen, die unsichtbaren Kräfte in der alltäglichen Wirklichkeit aufzuspüren und zu erkennen. Hier realisieren wir die Verbindung zum Geist in allen Formen, sehen das Sein der Existenz in Allem Leben. Der mexikanische Schamane Joaquin Muriel Espinosa, ein Lehrer von Midnight Song, nannte es so:
„Jenseits der Schwelle des Bewusstseins liegt das grenzenlose Herz des wartenden Traums. Diesen heiligen Part des Mysteriums zu berühren heißt, den ewigen Aspekt des SEINS zu kennen.“
Hier hebt sich also der letzte Schleier. Doch im letzten Schritt, wenn wir den Samen-Punkt der Mitte berühren und in den ewigen Raum zeitloser Stille eintreten, erkennen wir, dass Sein kein Aspekt ist. Dies ist der „Platz“ völligen spirituellen Gewahrseins, ohne jegliche Trennung, ohne Urteil und ohne jegliche Spur von persönlichem Ich. Hier ist die Sphäre von prajna, der endlosen Weisheit des unterschiedslosen Gewahrseins, des ewigen Gegenwärtigseins ohne Regung.
All diese „Richtungen“ sind nur durch eine Art alchemistische Trennung separat zu erfahren – und für viele Zwecke ist diese separatio ein wichtiger Helfer: wir lernen, jedes Element unserer Erfahrungen wirklich zu begreifen. Indem wir auf der horizontalen Ebene die Vision (das Bild), den Gedanken, das Gefühl und die Empfindung des Körpers voneinander trennen, können wir uns jedem Element einzeln zuwenden und dadurch eine Reinigung vornehmen, die weitaus tiefer geht, als wenn die Elemente in nicht erkennbarer Weise vermischt wären.
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Das mandala des Selbst ist also lediglich als Landkarte zu verstehen, als eine Art Auffaltung unseres Wesens, das natürlich vereint in uns lebt. Es jedoch in der Tiefe zu begreifen, ist das Ziel der alchemistischen Trennung, die nach einer Phase der Reinigung schließlich zur Wiedervereinigung auf einer „höheren Ebene“ führt.